Reisebericht Äthiopien Teil III - Weltenbummler Shumba - Weltreise mit dem Allrad Reisemobil

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Reisebericht Äthiopien

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Teil III >>   Addis Ababa - Grenze zu Kenia         28.05. - 24.06.2014               2.219  km    
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Nach Addis Ababa geht es zunächst weit durch große Vororte in denen sich Industrie angesiedelt hat. Hier rührt sich richtig was. Wir fahren an riesigen Anlagen vorbei. Die Städte Debre Zeit und Nazaret, an den Straßen zum Hafen nach Djibouti über den auch Äthiopien beliefert wird oder an der der Straße nach Kenia, sind die wichtigsten Industriestandortorte Äthiopiens. Daher ist die Strecke weiter Richtung Süden stark LKW frequentiert.
Wir richten „unsere Schnauze" Richtung Süden und fahren durch die grandiose Landschaft zwischen den vielen Vulkan-Kraterseen, die sich vor Millionen von Jahren hier im Afrikanischen Grabenbruch gebildet haben. Vorbei an riesigen Anbaugebieten, der Kornkammer des Landes. In den Seen sehen wir Flamingos, Pelikane, darüber kreisen große Seeadler. Leider sind die Seen mit Bilharziose verseucht, so dass Baden für uns nicht Frage kommt. An einem der Seen, dem Langano, bleiben wir für eine Woche. Und tun, NICHTS! Ein schönes Fleckchen
Erde. Sogar baden kann man in dem rötlich braun gefärbten Wasser. Aufgrund des hohen Soda-Gehaltes besteht keine Bilharziose-Gefahr. Jeden Tag entdecken wir neue Vögel. Nach acht Tagen packen wir es wieder an. Ein Weisskopf-Seeadler sitzt in den Baumwipfeln über uns und beobachtet uns beim Einpacken. Wir haben fast vergessen wo wir sind, so erholsam war es. Und so nerven die „jujuju" und „ferengi" Rufe der Kinder, die lautstark ertönen, als wir das Camp verlassen, nicht mehr so sehr.

Wir wollen in die Bale Mountains und klettern auf einer guten Erdstraße durch Ackerland und Wälder wieder hinauf auf 2700 Meter. Das Land wird „afrikanischer", die Weiden zeigen sich im satten grün dazwischen zieht sich die rote Erdstraße. Die trockenen Kuhfladen liegen fein säuberlich gestapelt vor den Rundhütten. Wir durchqueren eine fantastische Hochebene, das Didda-Plateau. Wir versuchen erst gar nicht einen Platz für ein Buschcamp zu finden, sondern klappern zu gegebener Zeit die Ortschaften ab, und schauen uns um einen geeigneten Hotelparkplatz. In Bekoji werden wir fündig. Am nächsten Morgen geht es weiter in Richtung Süden. Eine landschaftlich wunderschöne Strecke. Wenig Verkehr, größtenteils Erdstraße, liegt das Gebiet immer so um die 3000 Meter. Es hat längst nicht so viele bettelnde Kinder wie sonst. Das Gebiet ist hauptsächlich Siedlungsgebiet von Muslims und die sind sehr freundlich und nicht aufdringlich, und betteln uns längst nicht so an wie anderswo. In Dinsho holen wir uns das Ticket für den Bale Nationalpark. Kein Gequengel wegen Guide und Scout, einfach informieren und bezahlen, fertig. So mögen wir das.

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, es muss immer wieder gesagt werden: Die Landschaft östlich und südlich der Bale Mountains ist fantastisch. Und, irgendwie sind die Menschen im Oromo Gebiet anders, sie lächeln einen an, sind freundlich und offen. In Robe versorgen wir uns noch bevor wir die holprige Fahrt auf das Sanneti Plateau, dem Highlight der Bale Mountains, in Angriff nehmen. Zu Beginn ist im Park alles üppig grün, doch hoch oben auf über 4000 Meter wird es karg, nur noch Flechten und Hochgebirgspflanzen. Auf 4134m suchen wir uns unseren Schlafplatz und machen eine kleine Wanderung. Es wird kalt hier oben, nachts hat es gerade mal 2 Grad. Auf unserem Weg liegt der, mit 4377 Meter zweithöchste Berg Äthiopiens, der Mount Tulu Dimtu. Hier oben in luftiger Höhe hält ein Mann Wache vor einer Sendestation. Vierzehn Tage muss er in dieser Höhe, in der Abgeschiedenheit, ausharren und einen Funkmasten bewachen, dann wird er für vierzehn Tage abgelöst. Er freut sich riesig über unseren Besuch, endlich mal ein wenig Abwechslung. Hier oben liegt uns die Welt zu Füßen, der grandiose Rundumblick lässt keinen anderen Schluss zu. Eine mit 1000 Schlaglöchern gespickte Allwetterstrasse führt weiter über das Plateau. Selbst auf über 4000 Metern weiden die Menschen ihre Herden. Auf dem Weg nach unten fahren wir durch ursprüngliche kleine Walddörfer und kommen in dichten Regenwald. Bis auf einige Wölfe, eine Giftschlange und einige Paviane haben wir keine Tiere zu Gesicht bekommen.

                                                  

Auch außerhalb des Parks bleibt es Schotterstraße. Als wir für eine Übernachtung auf einer Lichtung an der Straße stehenbleiben, kommen lediglich zwei junge Frauen und schauen neugierig. Bald aber verabschieden sie sich wieder und gehen ihrer Wege. Wir haben unser erstes Lagerfeuer! Kaum zu glauben, auch am nächsten Morgen bleibt alles ruhig! Super schön! Bergab, durch verschiedene Vegetationszonen, fahren wir weiter Richtung Westen, nach Kibre Mengist, Bore und nach Wendo, wo wir auf die Hauptverbindung nach Kenia treffen. Wir allerdings, richten uns ein Stück Richtung Norden, bevor wir wiederum vor Hawassa eine Abkürzung nach Westen, Richtung Arba Minch nehmen. Eine kleine Piste die durch interessante ursprüngliche Dörfer führt, in denen gerade heute auch Markttag ist. Es scheint als seien alle Menschen auf den Beinen. Übrigens, die Arbeitsteilung ist dieselbe wie im Rest des Landes. Die Frauen schleppen, gekrümmt vom Gewicht, das Feuerholz und das Wasser, die Männer tragen in der Regel das Zaumzeug, die Peitsche oder die Machete und laufen vorne weg.

In der kleinen Stadt Sodo, dürfen wir auf dem Gelände der Stadtverwaltung übernachten. Das hatten die Beamten wahrscheinlich auch noch nie, dass ein Reisender, um eine Parkmöglichkeiten gebeten hat. Alles gestaltet sich nett und unkompliziert und noch bevor die Belegschaft am nächsten Morgen zum Dienst erscheint, sind wir auch schon wieder weg.
500 Kilometer südwestlich der Hauptstadt, in der Distrikthauptstadt Arba Minch, finden wir für zwei Nächte ein tollen Stellplatz im Garten des Swayne’s Hotel. Der grandiose Blick zum Nechisar-Nationalpark, auf den braunen Abaya- und den klaren Chamo-See, sowie auf die Nechisar Savanne im Vordergrund und das Gebirge auf der anderen Seite des Grabenbruches ist kaum zu toppen.

Danach verändert sich das Land. Es wird einsamer, und es ist ein kurviges und hügeliges Vergnügen. Riesige Mais- und Sorghum Felder (eine Hirseart) bestimmen die Szenerie, sie wechseln sich lediglich ab mit weitausladenden Schirmen mächtiger alter Akazien. Wir sind im Land der Konso, ein Bauernvolk, das über seine Stammesgrenzen hinaus berühmt ist für seinen meisterlichen Ackerbau. Die kunstfertig angelegten Terrassen an den Hängen sind schon von weitem zu sehen. Die Gegend nach Konso ist nur noch wenig besiedelt. Allmählich geht es hinunter in die weite savannenähnliche Ebene. Es wird staubiger, schroffer und karger, zugleich auch wärmer. Das angenehme Klima des Hochlandes liegt endgültig hinter uns. Wir sind in Key Afer (rote Erde) und schauen uns das WM-Spiel Deutschland-Portugal an. Hier in der „Wildnis" gibt es Public Viewing. Für 0,12 Ct Eintritt pro Person wurde in einer Strohhütte ein Beamer mit Leinwand aufgebaut. Fußballbegeisterung hat eben keine Grenzen.

Unser eigentliches Ziel jedoch ist Jinka, noch ein Stück weiter östlich. Jinka ist ein staubiges Nest am Rand des Omo- und Mago Nationalparks und Ausgangspunkt für Expeditionen ins Land der Mursi. Die Mursi sind der Stamm, der die Frauen mit den großen Tellern in den Lippen so hübsch findet, ein als aggressiv geltender, nomadischer Volksstamm. Als neu ankommender Tourist kommt man an der Touristeninformation nicht vorbei, man wird regelrecht abgefangen. Aber das ist gut so, denn die Truppe um Andu, den Chef, macht einen wirklich guten Job. Wir erhalten viele wertvolle Informationen. Wir wollen in einem Mursi Dorf übernachten, denn nur dorthin zu fahren, um Menschen gegen Geld zu fotografieren gefällt uns ganz und gar nicht. Wir wollen näher ran und einen kleinen Einblick in das Leben des Volkes gewinnen, und erhoffen uns so eine entspanntere Atmosphäre.
Eine Tour zu den Mursi-Dörfern ist ohne einen guten Führer undenkbar. Andu selbst wird mit uns hinaus fahren. Er beherrscht die Sprache der Mursi und hat sehr gute Kontakte und Freunde dort. Zweieinhalb Stunden wird die Fahrt hinunter ins Tal zum Mago-Fluss dauern. Auf den ersten Kilometern windet sich die Piste durch unerwartet grünes Bergland. Andu erklärt uns die wichtigsten Wörter auf Mursi und beantwortet jede unserer Fragen.
An einer baumfreien Kante halten wir kurz. Tief unten eine weite Senke, eine andere Welt, es ist das Herz von Afrika, die Wiege der Menschheit, das Omo-Tal. Wenig später passieren wir das Gate zum Mago-Nationalpark. Hier sollten wir eigentlich noch einen bewaffneten Scout mit Kalaschnikow aufnehmen, aber Andu überzeugt ihn, dass wir ihn nicht brauchen. Bezahlen müssen wir ihn aber trotzdem, so sind die Regeln. Über steile Straßen mühen wir uns hinab in die Tiefe in der sich die Savanne öffnet. Die Temperaturen sind merklich angestiegen. Schon auf der Straße sehen wir die spärlich bekleideten jungen Männer der Mursi. Großgewachsen und muskulös, mit spärlich Stoff um die Hüften gebunden. Einige sind komplett nackt. Fast jeder hat eine Kalaschnikow dabei. Sind es vielleicht sogar Krieger?



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Wir passieren mehrere Siedlungen, lassen sie aber links liegen und fahren tiefer ins Land hinein. Andu führt uns an einen entlegenen Ort, wo nur selten Touristen aufkreuzen. Wir fahren sozusagen auf den Dorfplatz unter einen riesigen Baum. Hier sitzen einige Männer, die Frauen sind draußen auf den Feldern. Ernten ist Frauensache. Wir steigen, zunächst ohne unsere Kamera aus, und Andu stellt uns vor. Es sind seine Freunde, das merkt man an der herzlichen Begrüßung. Auch wir werden freundlich empfangen und direkt aufgefordert mitten unter ihnen unter dem Baum Platz zu nehmen. Gleich zu Beginn erklärt Andu unser Besuchsanliegen und verhandelt einen Pauschalpreis mit dem „Manager" des Dorfes, Obuseimo, einem jungen Mann. Die alten Männer sind mit den Rindern draußen. Mittlerweile sind auch die wenigen Frauen und Kinder, die tagsüber im Dorf sind, gekommen um uns zu begrüßen. Alles sehr ungezwungen und freundlich. Als wir uns setzen, gehen auch sie wieder ihren Aufgaben nach. Am Rande des Platzes liegt ein Mann, der nicht zu diesem Dorf gehört. Es geht ihm nicht gut. Er war Äste haken und dabei hat ihm eine Speikobra ihr Gift direkt in ein Auge gespritzt. Er muss höllische Schmerzen haben und sein Augenlicht ist mit Sicherheit mittlerweile verloren. Er wird in diesem Dorf versorgt bis es ihm wieder besser geht und er in sein Dorf zurückgehen kann.

Als Andu merkt, dass wir uns wohlfühlen und die Gruppe uns akzeptiert, zieht er sich mit Obuseimo zurück. Sie haben etwas unter sich zu besprechen. In der Zwischenzeit werden wir von zwei jungen kräftigen Männern, Mamusch und Mokoro, durch das Dorf geführt. Stolz zeigen sie uns ihre Rinder und ihre Hütten. Rinder dienen auch bei den Mursi vor allem als Ausdruck des sozialen Prestiges und des Wohlstands und weniger als Nahrung. Selten wird eine Kuh geschlachtet. Stattdessen jagen die Männer Wildtiere, die durch die großen Viehherden allerdings immer weniger Lebensraum hier finden.

Das Dorf besteht in etwa aus 20 Hütten die weit verstreut im Gelände stehen. Jede Familie hat ein eigenes „Grundstück" mit mehreren Hütten. Die Hütten sind flache, bienenkorbartige Geflechte aus dünnen Ästen, die nur einen sehr niedrigen Eingang haben. Mursi-Männer errichten die Hütten für ihre Frauen. Sie selber haben keine eigenen Hütten, sondern wohnen abwechselnd bei ihren verschiedenen Weibern. Jeder Mann darf so viele Frauen haben wie er sich leisten kann, keine darf schlechter gestellt sein.
Mokoro führt uns zu einer seiner Hütten und fordert uns auf, einzutreten. Auf allen Vieren schlüpfen Klaus und ich in das finstere Gewölbe. Unsere Augen gewöhnen sich erst allmählich an die Dunkelheit. Die Luft drinnen ist heiß, staubig und dick. Es riecht schwer nach menschlichen Ausdünstungen und nach Rauch. Eine junge Frau sitzt an einer Glutstelle und kocht. Mit wenigen Worten und Gesten erklären sie uns den Ablauf in einer Hütte. Zum Beispiel schlafen sie auf dem Boden, auf dem lediglich ein Kuhfell ausgerollt wird, das tagsüber zusammengerollt an der Decke hängt. In einer Ecke stehen die Plastikkanister mit denen die Frau das Wasser aus dem naheliegenden Fluss holt. Ein paar Küchenutensilien hängen an der Decke.
Die Mutter von Mamusch versucht mir beizubringen, wie man auf einem Stein Getreide zu Mehl mahlt. Das ist richtig körperliche Arbeit. Wir verstehen uns gut und wir dürfen nach Herzenslust fotografieren.
Andu erklärt uns später, dass die Menschen jetzt in der Trockenzeit das fruchtbare Ufer des Flusses nutzen, um Bohnen, Mais, Erbsen und Sorghum (Mohrenhirse) anzubauen. Während sie in der Regenzeit ihre Hütten im Tal verlassen und weiter hinauf in die Berge ziehen. Morgens trinken sie einen Cocktail aus Rinderblut und Milch. Das Blut der Rinder wird durch einen gezielten Schuss mit Pfeil und Bogen gewonnen. Es fließt aus der Ader direkt in ein Gefäß und wird, mit der Milch gemischt, sofort getrunken. Die Rinder verkraften diese wiederkehrende Prozedur problemlos.

Am Abend erfahren wir, dass im Nachbardorf eine Hochzeit stattfinden soll. Eine Cousine von Obuseimo soll heiraten. Und so steigen Obuseimo, Mamosch und Mokoro bei uns aufs Dach und wir fahren kurzentschlossen dorthin, quer durch die Pampa. Teilweise läuft ein Mann voraus um uns den Weg zu zeigen. Nach einer kleinen Wanderung durch die Nacht, kommen wir im Dorf an, doch es ist alles ruhig, keine Hochzeit. Die Braut ist noch nicht da. Wir gehen zurück und holen unseren LKW. Wir bleiben die Nacht in diesem Dorf, denn am nächsten Morgen um 5 Uhr wird der Brautpreis gezählt und somit gezahlt. 38 Rinder wechseln unter den Gesängen und Trommeln einiger älterer Frauen, den Besitzer und die jungen Männer, die die Tiere abzählen gelten als Zeugen, dass der Brautpreis bezahlt wurde. Die Hochzeit ist somit quasi erledigt. Die Braut jedoch ist immer noch nicht da. Der Bräutigam ist sichtlich angegriffen, seine Ehre steht auf dem Spiel. Obuseimo und er besprechen sich immer wieder was er tun soll. Er muss die Braut zu sich holen, sonst verliert er sein Gesicht.

Wir laden die kleine Mannschaft, diesmal inkl. Bräutigam wieder aufs Dach und fahren noch weiter in das Omo Tal hinein, wieder mehr oder weniger quer Beet. Vor einem Dorf machen wir Halt. Die Stimmung ist angespannt. Die Braut ist weg. Sie will den Bräutigam nicht heiraten. Wieder wird viel palavert. Die Lösung lässt nicht lange auf sich warten. Die Braut hat eine jüngere Schwester, ca. 12 Jahre alt. Andu erklärt uns, dass der Bräutigam die Schwester erhält und sie mit sich nimmt um sie für 2 Jahre in die Obhut seiner Mutter zu geben. Erst dann wird die Ehe mit ihr vollzogen, es ist ohnehin nur seine Zweitfrau. Ob er so lange warten wird? Allein mir fehlt der Glaube. Es ist so ein hübsches Mädchen.

Nicht alle Frauen der Mursi tragen heute noch die Teller in den Lippen. Diese Tradition verliert sich nach und nach, obwohl durchaus noch ein sozialer Zwang besteht. Bereits bei den jungen Mädchen wird, nach Ausbrechen der zwei unteren Schneidezähne, unterhalb der Lippe ein Schnitt gemacht. Die Heilung wird mit Blättern unterstützt. Dann wird ein Holzstift durchgesteckt, der verhindern soll, dass die Lippe wieder zusammenwächst. Durch eine allmähliche Vergrößerung des Holzstiftes wird die Lippe ausgedehnt. Im Endstadium wird eine Tonscheibe mit einem Durchmesser von bis zu 15 cm eingesetzt. Das Gleiche passiert mit den Ohrläppchen. Die Teller tragen die Frauen zu offiziellen Anlässen, wie Hochzeiten oder auf Bräutigamschau, ansonsten hängen die Lippen lose. Ein sehr gewöhnungsbedürftiger Anblick, besonders wenn sie ihre Scheiben einsetzen. Angeblich dürfen sie ohne den Tellern in den Lippen nicht einmal zum Fluss gehen, finden keinen Mann und werden als Aussätzige behandelt. Wir haben in dem Dorf einige junge Frauen ohne dieses markante Merkmal gesehen und sie sind wie selbstverständlich mit den anderen zusammen gewesen. Vielleicht geht es ja zukünftig auch ohne diese entsetzliche Form der Selbstverstümmelung!

Abgesehen von den Schusswaffen der Männer, den Wasserkanistern und ein paar wenigen Plastikflaschen sehen wir keine Insignien der westlichen Konsumwelt. Die Mursi entziehen sich unserer "Zivilisation" erstaunlich konsequent, trotz der Touristen, die hier während der Trockenzeit regelmäßig auftauchen.
Voll mit Eindrücken holpern wir am Nachmittag des zweiten Tages wieder zurück nach Jinka. Es ist still während der Fahrt. Andu hat seinen Job wirklich gut gemacht.



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Nach einem Tag Pause und Auffüllen unserer Vorräte machen wir uns auf den Weg nach Turmi, in die Region des Volksstammes der Hamer. Die Piste verlässt das kühlere Bergland um Jinka und Key Afer und erreicht in einer breiten Senke eine heiße, flache Savanne. War Jinka schon ein staubiges Nest, was ist dann Turmi? Es ist ein kleiner, verschlafener, staubiger Ort mit ein paar Kneipen, einigen kleinen Dukas (kleinen Läden), die das Nötigste verkaufen, ohne Internet und mit sehr schlechter Telefonverbindung.
Zweimal pro Woche findet in Turmi Markt statt und die Hamer kommen zu Fuß aus der umliegenden Gegend ins Dorf, beladen mit Waren, die sie in Ziegenfelle gewickelt haben. Es ist ein soziales Erlebnis, viele laufen dafür stundenlang durch den Busch. Wir setzen uns mitten hinein, lassen uns Zeit und nähern uns so dem Geschehen allmählich. Es ist interessant zu beobachten. Natürlich bleibt es nicht aus, dass wir angesprochen werden und wir treffen Hiob wieder. Einen 13-jährigen Jungen, der sehr gut Englisch spricht für hiesige Verhältnisse. Er kommt auch aus einem Dorf im Busch, lebt aber hier im Dorf, weil er hier zur Schule geht. Der Junge erklärt uns viele Dinge und Details über sein Volk und bei Preisverhandlungen ist es auch von Vorteil einen lokalen Jungen dabei zu haben. So lernen wir, dass die Frauen Kautabak handeln, und das Butterfett und die rote Erde tauschen, mit der sie sich ihre Haut und ihre Haare einfärben. Und um eine Hochzeit abzuhalten benötigt es bis zu 40 Ziegen, erklärt uns der geschäftstüchtige junge Mann. Das ist ganz schön viel, wenn man bedenkt, dass eine Ziege ca. 160€ kostet. Und jeder Hamer hat ja mehrere Frauen….

Goozi, sein 16-jähriger Onkel, schließt sich uns an. Und jetzt erfahren wir von den beiden, dass heute Nachmittag in einem Dorf, etwa 25km entfernt, „bull jumping" stattfinden soll. Dieses traditionelle Fest der Hamer gilt als Initiationsritus für die Hamer-Jugendlichen. Dabei stehen etliche Rinder nebeneinander und der Junge, der zum Mann werden soll muss nun bis zu viermal über die Rücken der Bullen hin und herlaufen. Wir wollen es nicht so recht glauben, waren wir erst vor 2 Tagen vergeblich auf der Suche nach so einem Erlebnis. Aber sie versichern es immer wieder und da Goozi zufällig auch noch Guide ist, lassen wir uns darauf ein.
Nach 25 km Fahrt lassen wir den Truck stehen und machen uns zu Fuß weiter durch den Busch, nur einen Kilometer, „Hamer-Kilometer" wohlgemerkt. Denn wir gehen bereits etwa 45 Minuten, als wir auf Hamer treffen, die in dieselbe Richtung gehen. Bald sind wir eine Gruppe. Jetzt glauben wir, dass etwas Wichtiges stattfindet und es keine Schauveranstaltung für Touristen ist. Schon von weitem hören wir das Singen der Frauen und das Schebbern der Fußschellen, welche die tanzenden Frauen an engen Bändern unterhalb der Knie um die Beine gebunden tragen.

Unter einem großen Baum, in einem Flussbett sitzen viele Hamer Frauen und ratschen, andere liegen auf den Steinen und schlafen. Wiederum andere Frauen tanzen, nachdem sie sich aufgereiht haben, auf und ab. Männer stehen umher. Die Frauen „färben" ihr Haar mit Butter, Ocker und Lehm, tragen lange, mit Perlen verzierte Lederröcke und ihre Arme und Beine sind geschmückt mit Armbänder aus Metall.
Eine ganze Zeit tut sich nicht viel. Doch dann tanzen und singen die Frauen immer häufiger und lauter. Einige Frauen fangen an junge Männer, die lange Gerten bei sich haben, aufzufordern, sie auszupeitschen. Einige der Mädchen und Frauen haben bereits blutende Wunden am Rücken. Man hört nicht einen Ton von den Frauen, wenn die schnalzende Gerte auf das Fleisch trifft. Je mehr Wulstnarben eine Frau am Rücken hat, umso begehrenswerter ist sie. Schließlich hält sie etwas aus! Später beobachten wir wahre Dramen und viele Tränen, wenn der Wunsch nach dem heftigen Schlag von dem „Peitschenjungen" nicht erfüllt wird.

Dann setzt sich der gesamte Tross in Bewegung. Gemeinsam mit den Hamer wechseln wir den Ort, wir wandern durch den Busch, immer den Schellen und dem Singen der Frauen hinterher. Auf einer Lichtung nahe einem kleinen Dorf treffen wir auf mehr Menschen, Geschmückte, Bemalte, Älteste, zahlreiche Kinder und Frauen. Hier sind auch die Rinder. Hier muss es also stattfinden. Aber es dauert. Die Tänze der Frauen werden noch intensiver und lauter. Die Männer versuchen die Rinder aufzustellen. Alles braucht seine Zeit. Aber dann ist es soweit. Acht Rinder stehen in Reih und Glied und der Junge, aufgeregt und splitterfasernackt, steht ihnen gegenüber. Die Dorfbewohner stehen im Kreis herum und feuern ihn an. Er nimmt mit großen Schritten Anlauf und „läuft" über die Rücken der Rinder, insgesamt viermal. Er hat es geschafft, nur einmal ist er abgerutscht. Damit ist das Spektakel zu Ende. Zumindest für uns. Die Familien und ihre Besucher werden noch bleiben. Morgen wird noch eine Ziege geschlachtet und gefeiert, dann ziehen wieder alle in ihre Dörfer zurück. In einem halben Jahr darf der Junge heiraten, spätestens dann werden alle wieder zusammen kommen.

Beeindruckt von dem Gesehenen wandern wir zurück zu unserem LKW. Ist ja nur 1 Kilometer! Jetzt erst mal ein kühles Bierchen. Wow, das hat sich gelohnt.
Wir verbringen noch eine Nacht in Turmi und brechen am nächsten Morgen auf nach Omorate. Hier am Ende der Welt bauen die Koreaner eine Brücke über den Fluss Omo, dann wird man den Grenzübergang auf der gegenüberliegenden Flussseite bei Namoruputh benutzen können. Solange aber bleibt Omorate eine Sackgasse, denn nur hier werden die Ausreiseformalitäten für Äthiopien erledigt, wenn man die Turkana Route nach Kenia fahren will.

Alles passiert schnell und reibungslos. Der freundliche Grenzbeamte geht sogar noch mit uns ins Dorf, damit wir unser restliches äthiopisches Geld loswerden. Wasser und Toilettenpapier, sonst gibt es nichts Brauchbares. Noch ein letzter Blick auf den breiten Fluss und wir brechen auf nach Kenia. Ein kurzes Stück auf der staubigen Rüttelpiste zurück und dann rechts in die Büsche. Auf circa 100 Kilometern schmaler Piste durch Buschland, fahren wir vorbei an vielen abgelegenen Dörfern und Schulen der Dassanech. Dann sehen wir eine alte Antenne an einem schiefen Haus. Das ist die Babua Police Station, hier ist die Grenze nach Kenia. Die beiden Männer in kurzen Hosen und Unterhemden wollen unsere Ausreisestempel von Äthiopien sehen, mehr passiert hier nicht. Freundlich wünschen sie uns eine gute Reise. Die Einreiseformalität für Kenia werden wir irgendwo im Landesinnern erledigen.

Ciao Äthiopien!



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Äthiopien I  -   Fahrt in den Norden
Äthiopien II -  Durch das Hochland Richtung Süden

Äthiopien III - Von Addis Ababa an die Grenze zu Kenia
... Menschen in Äthiopien
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